Vortrag im Gärtnermuseum: Die Toten von Wolfenbüttel – Rekonstruktion einer städtischen Oberschicht im 17./18. Jahrhundert

2015 - Friedhof an der Hauptkirche bei Straßenbauarbeiten entdeckt

Im Frühsommer 2015 fanden im Zentrum der Wolfenbütteler Altstadt großflächige Straßenbauarbeiten statt. Als die Reichsstraße nördlich der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis aufgerissen wurde, stießen die Bagger auf zahlreiche Bestattungen des einst die Kirche umgebenden Friedhofs. Kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte man begonnen, entlang der einstigen Friedhofsmauer planmäßig Erbbegräbnisse anzulegen. Diese Parzellen sind eine Besonderheit, die in dieser Art bisher von keinem anderen Friedhof in Deutschland bekannt sind. Hier fanden von 1650 bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts Angehörige der Oberschicht, insbesondere die Beamten des Herzogshofes mit ihren Familien, ihre letzte Ruhe.
Auf der beigefügten Ansicht der Hauptkirche ist die 1817 abgebrochene Ringmauer zu erkennen, an der sich die Erbbegräbnisse befanden.
Auf der beigefügten Ansicht der Hauptkirche ist die 1817 abgebrochene Ringmauer zu erkennen, an der sich die Erbbegräbnisse befanden.

Biografien erschlossen

Im Rahmen eines gemeinsamen Pro*Niedersachsen-Projekts der historischen und archäologischen Kommissionen konnte ein großer Teil der Bestatteten identifiziert und untersucht werden. Anthropologische und genetische Untersuchungen ermöglichten zahlreiche Aussagen zur biologischen Lebensgeschichte der Verstorbenen, beispielsweise zu Ernährung und Krankheiten, aber auch zu den besonderen Belastungen, denen die Bevölkerung während zweier Belagerungen der Stadt im Dreißigjährigen Krieg ausgesetzt war. Aufgrund des ungewöhnlich reichhaltigen Bestandes an historischen Quellen im Landesarchiv in Wolfenbüttel wurde es außerdem möglich, für die meisten Personen vielfältige biografische Details zu erschließen. Anhand von Kirchenbüchern, Leichenpredigten, Verwaltungs-, Prozess- und Nachlassakten lässt sich ein anschauliches Bild ihres Lebens und Todes sowie ihrer Familien- und Lebensverhältnisse über mehrere Generationen nachzeichnen. Vielfach sind noch die Häuser erhalten, in denen sie einst lebten, auch einige Grabsteine, die sich heute im Kircheninneren befinden und Inschriften im Stadtbild.

Vortrag von Frau Dr. Wagener-Fimpel

Von den Ergebnissen des Projekts, die im kommenden Jahr publiziert werden sollen, berichtet Archivoberrätin Dr. Silke Wagener-Fimpel vom Landesarchiv in Wolfenbüttel in einem Vortrag im Gärtnermuseum am Freitag, 13. September 2024, um 18.30 Uhr mit dem Titel: „Die Toten von Wolfenbüttel – Rekonstruktion einer städtischen Oberschicht im 17./18. Jahrhundert.“ Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten.

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